Sagenhafte Aufholjagd

Augsburg, 06.11.16. Dieser Spieltag hatte es in sich. Drei der fünf Teams mit einer positiven Bilanz mussten Niederlagen einstecken, um ein Haar auch die Wolnzacher. Die erste Halbzeit spielte nämlich fast nur der TV Augsburg (51:27), ehe die Wolnzacher das Blatt mit einem kolossalen Kraftakt noch wendeten und einen 78:74-Auswärtssieg entführten.

Nach dieser sensationellen, emotionalen Partie lagen sich die Wolnzacher in den Armen.

Nach dieser sensationellen, emotionalen Partie lagen sich die Wolnzacher in den Armen.

„Das war schon ein mittleres Wunder“, staunte ein fassungsloser Mike Urban, „so etwas habe ich in meinen 23 Jahren Basketball noch nicht erlebt. Das sagt schon etwas über unsere Moral aus. In eine solche Lage wollen wir aber nicht noch einmal kommen.“ Der Wolnzacher Coach musste vor dem Spiel schon Mikro-Management betreiben, da am Spieltag noch Aufbau Tobias Fuchs und Leo Hurzlmeier absagten. Spontan wurde noch Aufbau Johannes Biersack aus der Herren2 angeheuert. Die Center Torben Degner (krank) und Thomas Moosmayr (Trainingsrückstand) wurden auf die Bank gesetzt, so dass man immerhin mit elf Mann gegen die in Bestbesetzung auflaufenden Schwaben antreten konnte. Zwei Faktoren fügten dem Spiel besondere Brisanz hinzu: erstens sorgte die kleine Augsburger Halle mit ihrer schallenden Akustik dafür, dass die Stimmung bald ohrenbetäubend war und die Kommunikation auf dem Feld meist nur noch über Gesten funktionierte, und zweitens funktionierte die Anzeige nicht. Das kompetente Kampfgericht ermöglichte ein normales Spiel, trotzdem war es oft nicht ganz einfach von der Spielerbank aus die manuelle Anzeige des Punktestandes und der Spielzeit ausfindig zu machen.

Zu Beginn schien dies zuerst auch einmal völlig irrelevant. Die Wolnzacher starteten zwar gut (8:5, 3. Min.), nach den ersten Wechseln kam aber mächtig Sand ins Getriebe. Augsburg verwandelte drei Dreipunktespiele in Folge und erspielte sich gedankenschnell einen 12:0-Lauf, der sogar bis zum 28:12-Viertelendstand ausgebaut wurde. Die beiden ehemaligen ProA-Spieler Felix Förster (25 Pkt.) und Alexander Chalusiak (3) führten ihr Team souverän an, während die Wolnzacher im Angriff schusselten und in der Defense einen Schritt neben sich standen. In der zehnten Minute musste zudem noch Alexander Jureczek, einer der fitteren Wolnzacher, mit zwei harmlosen, unsportlichen Fouls vom Platz. Tobias Ziehe, Sven Leichtl und Johannes Wießnet verkürzten kurzzeitig auf 20:32 (12. Min.), danach war Augsburg erneut mit einem 12:0-Lauf zur Stelle (44:20, 15. Min.). Zwischenzeitlich lagen die Wolnzacher sogar mit 26 Punkten hinten (23:49, 18. Min.), zur Halbzeit hieß es 27:51. „Bei uns lief gar nichts, bei Augsburg alles. Die haben clever verteidigt und im Angriff gute Optionen mit einer starken Wurfquote kombiniert“, fand Wießnet.

Neuzugang Tobias Ziehe, der mit 17 Punkten, vier Rebounds und drei Assists eine tolle Partie spielte, schaffte es, sein Team in der Halbzeit zusammen zu holen und an eine bessere Körpersprache zu appellieren. Dies wirkte auf jeden Fall bei David Eichmüller. „Ich bin danach zum Beispiel deutlich anders zum Rebound oder Wurf gegangen. Das war definitiv ein Mind-Changer“, erinnerte sich Eichmüller. Urban brachte Alexander Hoffmeister zur zweiten Halbzeit als Aufbau von der Bank, was schließlich Früchte trug. Beim 35:60 (25. Min.) ging ein Ruck durch die Wolnzacher, die einen 8:0-Lauf hinlegten und zum Viertelende auf 50:64 verkürzen konnten. Danach folgte ein unglaublicher 19:0-Lauf, den auch eine Augsburger Auszeit nicht stoppen konnte. Wolnzach lag auf einmal wieder in Führung (69:64, 36. Min.). Die Stimmung kochte, ein Trommler der Hausherren wurde der Halle verwiesen, während die 20 mitgereisten Wolnzacher Fans ihren Augen nicht trauen mochten und anfeuerten, was das Zeug hielt. Augsburg kämpfte zwar noch, konnte den Wolnzachern aber das Spiel nicht mehr abnehmen. Johannes Wießnet erzielte 13 Zähler im letzten Abschnitt, Ziehe sieben, die Wolnzacher nutzen ihre Vorteile am Brett — auch dank eines effektiven Thomas Moosmayr (5 Pkt, 4 Rebounds), um das Spiel trotz einer unterirdischen Freiwurfquote (18/39) mit 78:74 über die Runden zu bringen.

Sechs unsportliche Fouls, ein technisches und ein disqualifizierendes Foul, bei dem Aufbau Lukas Kappelmeier in der 38. Min. zwar unabsichtlich, aber gefährlich unterlaufen wurde, prägten eine intensive, aber stets faire Partie, die teils auf hohem Niveau stattfand und an Spannung nicht zu überbieten war. „Nach dem Spiel sind wir natürlich alle total ausgeflippt, sowas erlebt man eben nicht alle Tage!“, erinnerte sich Geburtstagskind Wießnet (19 Pkt., 11 Reb.), der den Abend somit gebührend ausklingen lassen konnte. Kappelmeier verbrachte den Abend hingegen im Krankenhaus (Schleudertrauma, Gehirnerschütterung), darf aber nach drei Tagen Aufenthalt wieder nach Hause. Der Einsatz der Wolnzacher lohnte sich jedenfalls gleich doppelt, denn Heroldsberg (4:1 Siege) ließ überraschend beim unterbesetzten FC Tegernheim (2:3) Federn (80:87), während Nördlingen (3:2) gegen Ingolstadt-Ringsee (1:3) 65:88 verlor und Schwandorf (4:1) mit 53:51 Erlangen (3:2) bezwang. Somit stehen die Wolnzacher (5:0) trotz ihrer Personalprobleme derzeit als einzige ungeschlagene Mannschaft der Bayernliga Mitte da.

TSV WOLNZACH: – Leichtl (10), Biersack J (2), Kappelmeier (6), Jureczek, Schinhammer (4), Eichmüller (10), Hoffmeister (3), Moosmayr (5), Ziehe (17), Degner (2), Wießnet (19).